voor feiert Jubiläum! 🎁🥳 Zehn Jahre, in denen ich unendlich viel gelernt – und glücklicherweise wenig zu bereuen habe.
Was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe? Das sind meine 10 größten Learnings aus 10 Jahren Selbstständigkeit.
1. Naiver Startvorteil
Oft gehört, selten geglaubt – aber tatsächlich ein großes Stück weit als eigene Erfahrung wahrgenommen: „Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich mich nie selbstständig gemacht.“ Ich habe mich vor zehn Jahren, nach einem kurzen Gastspiel bei einem großen Industriebetrieb, in die Selbstständigkeit gewagt. Blauäugig, ohne Kunden – ohne einen Funken betriebswirtschaftliches Gespür.
Während ich lange der Überzeugung war, dass das zu meinem Nachteil war, glaube ich heute: Diese Naivität hat meine Selbstständigkeit möglich gemacht. Ich habe in den ersten Jahren extrem viel gelernt, mich laufend angepasst und ständig reflektiert. Dinge, die in meinen Angestelltenverhältnissen zuvor nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß notwendig waren. Klar: Ich konnte mir diese Naivität leisten. Ich hatte keine finanziellen Verpflichtungen, keine Familie – und als Dienstleister keine nennenswerten Fixausgaben.
Würde ich denselben Weg in meiner heutigen Situation als Familienvater nochmals so gehen? Wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht in dieser unbeschwerten Art und Weise, wie ich ihn vor zehn Jahren angetreten bin. Mein großer Respekt gilt daher all jenen Frauen und Männern, die sich in einer fortgeschrittenen Lebensphase in die Selbstständigkeit wagen. Dazu benötigt es viel Mut und Leidenschaft. 👏
2. Schnelle Anpassungen erforderlich
Ich habe als freier Journalist angefangen, als PR- und Pressedienstleister meine ersten großen Kundenprojekte umgesetzt, Lorbeeren als Social-Media-Experte verdient – und habe mit einer Agentur für Digitalmarketing nun den bisherigen Höhepunkt meiner Selbstständigkeit erreicht.
Bin ich also angekommen? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. In den zehn Jahren meiner Selbstständigkeit hat die Digitalisierung keinen Stein auf dem anderen gelassen. Und das war, im Vergleich zum disruptiven Potenzial der KI, ein Kindergeburtstag. Daher will ich meinen Blick auch in Zukunft offenhalten und neue Entwicklungen annehmen, nicht verteufeln.
Pressearbeit 2013 für ein Event mit den Ski-Stars Michaela Kirchgasser und Kjetil Jansrud.
3. Adieu Dialekt
Wer uns schon etwas länger verfolgt, weiß: voor war nicht immer voor. Nach langer Vorbereitungszeit und mit Unterstützung von veicus und Zeughaus haben wir voor im Frühjahr 2021 aus der Taufe gehoben. Zuvor hieß das Unternehmen gschtocha, bock. Ein Name, zu dem ich schnell eine Hassliebe entwickelt habe.
Liebe, weil er mich nach wie vor an die ersten Schritte in die Selbstständigkeit erinnert. Hass, weil er kompliziert und nicht skalierbar war. Den Namen fanden zwar viele amüsant – die Grenzen der Möglichkeiten wurden mir aber relativ schnell vor Augen geführt. gschtocha, bock. bekam einen provinziellen Anstrich. Kurzum: gschtocha, bock. funktoniert vielleicht für ein Einzelhandelsgeschäft mit Vorarlberger Kulturgut – nicht aber für eine Digitalmarketing-Agentur.
Ob unser Business-Boost 2021 auf das neue Branding oder andere Faktoren zurückzuführen ist, lässt sich nur erahnen. Ich bin aber der Überzeugung: Die Neuausrichtung leistete einen maßgeblichen Beitrag.
4. Zu zweit bist du weniger allein
Auch aus Mangel an Erfahrungen habe ich mit der Suche nach meiner ersten Mitarbeiterin sehr lange zugewartet. Erst nach vier Jahren habe ich die Entscheidung getroffen, den steigenden Berg an Arbeit nicht länger allein bewältigen zu wollen. Rückblickend hätte diese Entscheidung zwei Jahre früher getroffen werden können. Einerseits, weil es die Auslastung früher möglich gemacht hätte – andererseits, weil direktes Feedback zur eigenen Arbeit unerlässlich für das Qualitätsmanagement ist. Ursula Fehle, meine erste Mitarbeiterin, hat voor bis heute die Treue gehalten und ist für mich nicht nur wichtige Sparringspartnerin, sondern zugleich notwendiges Korrektiv.
5. Mehr Köpfe – andere Aufgaben
Mehr Schultern bedeuten weniger Arbeit? Mitnichten. Ich bin operativ nur noch in wenige Projekte involviert – habe dafür jede Menge andere Aufgaben dazu bekommen, die allein oder zu zweit nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß Aufmerksamkeit benötigt haben. Heute beschäftigte ich mich überwiegend mit strategischen Themen zur Unternehmensentwicklung, mit Qualitätssicherung, Mitarbeiterführung und ‑entwicklung – und, vor allem, mit viel Bürokratie. Bemerkenswert war und ist für mich, dass sich diese Aufgaben auch in einem vergleichsweise kleinen Team sehr rasch und radikal verändern.
6. Kultur ist alles
Bereue ich daher, nicht allein geblieben zu sein? Zu keiner Sekunde. Vor allem deshalb nicht, weil ich sehr stolz auf mein Team bin. Ich hatte mir zu Beginn meiner Selbstständigkeit immer vorgenommen, Dinge anders als andere machen zu wollen. Eine Kultur schaffen zu wollen, in der sich jede und jeder wohlfühlt und gerne zur Arbeit kommt. Sich etwas vorzunehmen, ist das eine – es in der Realität umgesetzt zu bekommen, etwas ganz anderes. Und ich glaube, selbstbewusst behaupten zu dürfen: Das ist gelungen. Wir wollen bei voor keine zweite Familie sein. Wir verbringen auch unsere Freizeit nicht bzw. nur ganz selten miteinander. Aber wir pflegen einen freundschaftlichen, humorvollen, nicht immer ganz politisch-korrekten, aber stets wertschätzenden Umgang miteinander, der von allen, so mein Empfinden, geschätzt und goutiert wird.
Ich versuche möglichst viel Freiraum zu geben, damit sich meine Mitarbeiter*innen entfalten können – und gebe von Tag 1 weg viel Vertrauensvorschuss. Ja, das wurde auch schon mal ausgenutzt. Aber deutlich öfter bestätigt sich diese Vorgehensweise mit einem, wie ich finde, sehr zufriedenen Team.
Sind wir immer glücklich? Natürlich nicht. Machen wir jede Aufgabe gern? Das wäre gelogen. Könnten wir uns gegenseitig auch manchmal zum Mond schießen? Unbedingt. Aber unterm Strich bleibt: Die wichtige Gleichung aus Geben und Nehmen hält sich die Waage. Wir mögen uns und verbringen gerne Zeit miteinander. Danke Ursula Fehle, Elena Huber, Magdalena Sohm, Daniela Graßl, Christian Hirschmann und Monika Haller. Ihr seid die Besten. Und ich hoffe, ihr bekommt das – abseits der blöden Sprüche – oft genug von mir auch zu hören. Und, was noch wichtiger wäre, zu spüren.
7. Keine Experimente
Schuster, bleib bei deinen Leisten! Wir haben uns dieses Sprichwort stets hinter die Ohren geschrieben und nur jene Tätigkeiten selbst gemacht, von denen wir der Überzeugung waren und sind, sie auch zu beherrschen. Wir haben das Glück, heute den Großteil unseres Portfolios mit unserem internen Know-how abdecken zu können. Das war lange anders – und dann haben wir uns konsequent unseres großartigen Netzwerkes bedient. Zum Vorteil für die Qualität der umgesetzten Projekte. Stellvertretend für alle werfe ich das Scheinwerferlicht an dieser Stelle auf die zwei „ältesten“ und treusten voor-Partner: veicus und Zeughaus. Danke für eure langjährige Unterstützung!
8. Auf Augenhöhe – sonst gar nicht
„Wenn ich selbstständig bin, dann herrschen meine eigenen Regeln.“ Ein schöner Wunsch – oft aber zynische Realitätsverweigerung. Du bist als Selbstständige® – v.a. mit Mitarbeiter*innen – ständig Getriebene®. Getriebene® von Umsatzzielen, Kunden- und Mitarbeiter*innenzufriedenheit, Auslastung und Zukunftsperspektiven. Das ist part of the game – bedeutet aber auch: Du machst nur sehr bedingt deine eigenen Regeln.
Das führt vor allem in den Anfangsjahren häufig dazu, dass man auch unter die Räder kommt. Auch wir hatten Kund*innen, für die wir lieber keine Projekte umgesetzt hätten, weil wir bereits beim Kennenlernen gemerkt hatten: Das wird schwierig. Warum wir es trotzdem getan haben? Weil Nein zu sagen als Selbstständige® – siehe weiter oben – schwierig ist. Heute sind wir in der glücklichen Situation, die Dinge anders beurteilen zu können. Wir setzen nicht jedes Projekt für jede(n) Kund*in um. Das ist gut und wichtig, auch für das Team – braucht aber entsprechende Rahmenbedingungen, die in den Anfangsjahren, wenig überraschend, nicht vorhanden sind.
9. Keine verbrannte Erde
Ich hatte in meinen zehn Jahren Selbstständigkeit mit Kolleg*innen zu tun, die Wachstum als oberste Devise ausgegeben hatten und haben. Das ist eine absolut legitime Strategie – und viele Menschen werden einem dafür zustimmend auf die Schultern klopfen. Klar ist aber auch: Wachstum hat Auswirkungen auf das ganze Unternehmen – auf interne Prozesse, auf die Kultur, auf die Art, Akquise zu betreiben. Allen voran aber auch auf die Kund*innen-Struktur im Unternehmen. Es werden größere, umsatzstarke Kund*innen benötigt, um Wachstum auch betriebswirtschaftlich abbilden zu können. Und auf diesem Weg zu mehr Größe – vor allem dann, wenn er sehr schnell geht – kommen viele kleinere Kund*innen unter die Räder. Die Konsequenz: Viel verbrannte Erde auf dem Weg nach oben.
Wachstum wird in unserer Gesellschaft nach wie vor als einer der ganz wenig relevanten unternehmerischen Erfolgsfaktoren anerkannt. Nur wer skaliert – allen voran Umsatz und Mitarbeiter*innen – ist, zumindest nach außen hin, wirklich erfolgreich. Ist das so? Ich behaupte: nein.
Wachstum passiert nicht einfach nur. Wachstum ist auch und vor allem eine bewusste Entscheidung. Bedeutet die Entscheidung, nicht mehr wachsen zu wollen, Stillstand zu akzeptieren? Quatsch. Gerade mit einem kleinen Team sind dynamische, innovative Anpassungen einfacher und schneller möglich als in einem starren und großen Apparat. Aber es bedeutet, Erfolg und Misserfolg nicht mehr nur in betriebswirtschaftlichen KPIs zu messen, sondern den Fokus auch auf andere Fragen zu werfen. Darunter: Fühlen sich meine Mitarbeiter*innen wohl? Ist unser moralischer und unternehmerischer Kompass noch richtig ausgerichtet? Kann ich die Qualität unserer Arbeit zu jeder Zeit gewährleisten? Für mich waren die Antworten auf diese Fragen immer eindeutige. Keine verbrannte Erde hinterlassen – egal in welcher Hinsicht.
10. Ohne Rückhalt geht nichts
Last but not least: die Familie. Meine Frau Sabrina Dünser hat mich von Anfang an in meinem Bestreben, selbstständig werden, unterstützt. Sie gab und gibt mir Rückhalt – und zeigt auch Verständnis, wenn die Tage etwas länger sind oder auch mal abends und/oder am Wochenende der Betrieb im Mittelpunkt steht. Das sprichwörtliche „selbst und ständig“ ist zwar im Laufe der Jahre besser geworden – mehr Arbeit als in einem regulären Angestelltenverhältnis ist es aber nach wie vor. Vielen Dank für euer Verständnis und euren Support in all den Jahren, Sabi und Luisa. ❤️