Der Flut an Gewinn­spie­len auf Face­book kann man auch mit einem selek­tierten News­feed kaum entkom­men. Nahezu jede Seit­en­be­treiberin und jed­er Seit­en­be­treiber scheint das Chronik-Gewin­n­spiel auf Face­book als das Reich­weit­en-Gold für sich ent­deckt zu haben. Und da sich die Zahlen auf den ersten Blick wirk­lich gut machen, wer­den Face­­book-Gewin­n­spiele wenig über­raschend auch von Agen­turen gerne als „the shit“ verkauft. Eine rein organ­is­che Reich­weite des x‑fachen der eige­nen Face­­book-Com­­mu­ni­­ty? Eine regel­rechte Ein­ladung zum Agen­­turen-Bul­l­shit-Bin­­go!

In den sel­tensten Fällen sind solche Gewinn­spiele im Sinne eines nach­halti­gen Effek­ts aber wirk­lich „erfol­gre­ich“. Der detail­lierte Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich die hohe, kurzfristige Aufmerk­samkeit sel­ten in einem nach­halti­gen Reich­weit­en-Erfolg nieder­schlägt – oder gar mit den Zie­len der jew­eili­gen Face­­book-Seite, wenn es sie über­haupt gibt, im Ein­klang ste­ht. Dass mit dem Gros der Chronik-Gewin­n­spiele darüber hin­aus ein klar­er Ver­stoß gegen die Face­­book-Richtlin­ien ein­herge­ht, ist wohl den wenig­sten Seit­en­be­treiberin­nen bzw. Seit­en­be­treibern bewusst. Oder aber schlicht egal.

Facebook-Gewinnspiele: Es gibt klare Vorgaben

Der Grund, warum Face­­book-Chronik-Gewin­n­spiele so beliebt sind, ist rel­a­tiv ein­fach: Hohe Inter­ak­tion­srat­en und somit hohe Reich­weit­en. Und trotz­dem: Face­book müsste, wenn es die eige­nen Richtlin­ien streng ausle­gen würde, eine regel­rechte Abmah­n­welle starten. Warum? Die so beliebte Gewin­n­spiel-Auf­­forderung „Markiere einen Fre­und in den Kom­mentaren, um beim Gewinn­spiel mitzu­machen“, wider­spricht ganz klar den Face­­book-Richtlin­ien für Seit­en­be­treiber (https://www.facebook.com/page_guidelines.php). In Punkt III / E / 3 heißt es: „(…)Per­sön­liche Chroniken und Verbindun­gen zu Fre­undIn­nen dür­fen nicht für die Organ­i­sa­tion von Pro­mo­tions genutzt wer­den (beispiel­sweise sind Auf­forderun­gen wie ‚teile diesen Beitrag in dein­er Chronik, um teilzunehmen’ oder ‚erhöhe deine Gewin­n­chan­cen durch Teilen in der Chronik deines Freundes/deiner Fre­undin’ und ‚markiere deine Freunde/Freundinnen in diesem Beitrag, um teilzunehmen’ nicht erlaubt).“

Warum Face­book – übri­gens nicht erst seit gestern – diese Richtlin­ie einge­führt hat, dürfte zwei Gründe haben:

  1. Die markierte Nutzerin bzw. der markierte Nutzer wird ohne sein eigenes Zutun und Wis­sen zur Gewin­n­spiel-Teil­nehmerin bzw. zum Gewinnspiel–Teilnehmer.
  2. Die unmit­tel­bare Folge bei ansatzweise attrak­tiv­en Preisen: Sehr hohe Inter­ak­tion­srat­en und somit hohe Reich­weit­en. Ein Umstand, der im Rah­men des News­feed-Algo­­rith­­mus Beiträ­gen mit qual­i­ta­tivem bzw. rel­e­van­tem Con­tent vor­be­hal­ten ist. Da Inter­ak­tion eines der stärk­sten Nutzersig­nale für den Algo­rith­mus ist, wer­den Gewinn­spiele so schnell zu regel­recht­en Reich­weit­en-Mon­stern.

Und trotz­dem: Face­book scheint diese Masse an Richtlin­ien-Ver­stößen nur sehr sel­ten zu ahn­den. Wur­den früher Seit­en von heute auf mor­gen wegen ver­meintlich kleinen Fehltrit­ten ges­per­rt, gibt es heute nicht mal mehr Ver­war­nun­gen. Da Face­book nur in den sel­tensten Fällen selb­st aktiv wird, kön­nte die Erschw­er­nis, Beiträge zu melden, zur „unges­traften“ Gewin­n­spiel-Anar­chie geführt haben. Mah­nend hat Face­book bere­its mit einem News­feed-Update einge­grif­f­en: Ein­ma­lige Inter­ak­tion­shöhen­flüge wer­den mit­tler­weile als „unnatür­lich“ erkan­nt – mit neg­a­tiv­en Auswirkun­gen auf die Sicht­barkeit der nach­fol­gen­den Beiträge.

Reichweite ohne Reichweite

Aber auch wenn sich Reich­weiten­zahlen wie oben beschrieben in der Sta­tis­tik gut machen – und dem Geschäfts­führer als Legit­i­ma­tion für den Face­­book-Ein­satz reichen: Die Frage nach der Sinnhaftigkeit muss und darf gestellt wer­den. Zwei Beispiele aus Vorarl­berg leg­en den Ver­dacht nahe, dass Reich­weite für viele Seit­en­be­treiber zum Selb­stzweck gewor­den ist:

Facebook-Gewinnspiel eines regionalen KMU

Dieses Gewinn­spiel eines regionalen Heizungs- und San­itär­be­triebs aus Vorarl­berg wurde 299 Mal geteilt, mehr als 180 Mal gelikt und beein­druck­ende 3.200 Mal kom­men­tiert. Es ist also davon auszuge­hen, dass das KMU eine ein­ma­lige Reich­weite von mehreren zehn­tausend Per­so­n­en aufge­baut hat – Tag-Funk­­tion und ‑Auf­forderung sei Dank. Nur: Mit welchem nach­halti­gen Effekt? Die Inter­ak­tion­srate der nach­fol­gen­den Beiträge ist wieder auf das ein­stige Niveau zurück­ge­fall­en – und auf die Fan-Anzahl hat­te die ein­ma­lige Reich­weite kaum oder nur wenig Auswirkung. Der Schweiz­er Face­­book-Experte Thomas Hut­ter nan­nte entsprechende User einst „Wet­tbe­werb­s­touris­ten“ – und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Oder anders gesagt: Der eigentlichen Ziel­gruppe, die in diesem konkreten Beispiel per se schwierig zu iden­ti­fizieren ist, wird wenig Grund gegeben, dem Betrieb auf Face­book zu fol­gen. Das Gewinn­spiel erzeugt zwar einen ein­ma­li­gen Nutzen – aber für den Betrieb keine oder nur wenig nach­haltige Rel­e­vanz. Hinzu kommt, dass die Auf­forderung, unbe­gren­zt zu kom­men­tieren um die Gewin­n­chan­cen zu erhöhen, bei eini­gen Nutzern offen­bar zu Spam-Sper­ren geführt hat. Ein nach­haltiger Gewin­n­spiel-Nutzen sieht anders aus.

Facebook-Gewinnspiel eines regionalen Medienunternehmens

Dass man für Gewinn­spiele mit­tler­weile nicht ein­mal mehr attrak­tive Preise braucht, beweist dieses Vorarl­berg­er Medi­enun­ternehmen. „Markiere jeman­den der auch einen Regen­schirm braucht“, lautet die sim­ple Gewin­n­spiel-Auf­­forderung, die auch hier mehr als 300 Kom­mentare und mehr als 300 Likes zur Folge hat­te. Nur: Der nach­haltige Nutzen für Pro­dukt und Ziel­gruppe erschließt sich aber auch hier nur schw­er.

Facebook-Gewinnspiele ergeben natürlich auch Sinn

Dass Face­­book-Gewin­n­spiele dur­chaus Sinn machen kön­nen, ste­ht außer Frage. Nur: Ziele und Ziel­gruppe der Seite soll­ten nicht kon­trär zum Gewinn­spiel ste­hen bzw. Inter­ak­tio­nen und somit Reich­weite zum Selb­stzweck erhoben wer­den.

Fragen, die vor Initiierung eines Facebook-Gewinnspiels beantwortet werden sollten, sind:

  • Was will ich mit dem Face­­book-Gewin­n­spiel erre­ichen?
  • Welchem unternehmerischen Ziel dient das Gewinn­spiel?
  • Wer ist meine Ziel­gruppe?
  • Welchen Preis möchte ich ver­losen – und macht er auch Sinn?
  • Wie viel Bud­get kann und will ich ein­set­zen?
  • Wie messe ich den Erfolg des Gewinn­spiels?

Anmerkung: Die Durch­führung von App-Gewin­n­spie­len auf Face­book wurde der Ein­fach­heit hal­ber und auf­grund geringer All­t­agser­fahrun­gen nicht erwäh­nt. Der Beitrag bezieht sich nur auf Face­­book-Chronik-Gewin­n­spiele.